von Peter Heldt – LAV Präsident

Unser Verband, immerhin der zweitgrößte Umweltverband im Land, hat sich bereits im Vorfeld klar und mit fachlichen Argumenten gegen einen Nationalpark Ostsee ausgesprochen. Nun hat sich auch die CDU gegen einen Nationalpark positioniert. Ich gebe es zu: wir haben das mit großer Erleichterung, aber ohne Schadenfreude zur Kenntnis genommen. In unseren Augen wäre der Nationalpark das falsche Instrument für einen besseren Ostseeschutz gewesen. Wir sollten ihn anders – und wirklich pragmatisch angehen.

Realistisch gesehen ist ohne die CDU die Schaffung eines NPO vom Tisch. Trotzdem halten die Grünen nun an der Idee des Nationalparks fest. Warum nur? Wir haben es in den letzten Monaten gesehen- alleine das Wort Nationalpark spaltet.

Wäre es nicht konstruktiver, den spaltenden Nationalpark jetzt, wo er offensichtlich keine politischen Mehrheiten findet, aus dem Spiel zu nehmen, gegen das verbindende Element, den gemeinsamen Willen zu mehr Ostseeschutz, einzuwechseln und an einem echten Aktionsbündnis zu arbeiten?

Nationalpark spaltet

Das Wort Nationalpark spaltet, weil alles hinter diesem Wort vage und unklar gelassen wurde. Das verunsichert die Menschen und schafft Raum für Spekulationen. Das Umweltministerium hat es vermieden, klar zu benennen, was ein Nationalpark Ostsee nach sich zieht. Klar ist: in einem Nationalpark würden Nullnutzungszonen kommen. Fast allen Nutzergruppen wird aber erzählt, dass sie keine Einschränkungen erfahren werden!

Wie soll das mit Nullnutzung auf großen Flächen unter einen Hut passen? Ein ehrliches Wort, mit einer darauffolgenden faktenbasierten Diskussion hätte Schleswig-Holstein besser zu Gesicht gestanden.

Man wollte den Leuten nach außen hin das Gefühl geben, dass sie ein großes Mitspracherecht hätten. Das glaubt aber niemand, allein schon deshalb nicht, weil der Zeitrahmen bis zur Abstimmung im Landtag sehr eng gesteckt wurde. Nachdenklich stimmt auch folgende Aussage. Im inneren Zirkel, auf dem Parteitag der Grünen am 24.9.23, ließ Minister Goldschmidt zum Thema NPO verlauten: „Wir stehen nicht für Larifari und Freiwilligen-Gerede“.

In Diskussionen legt der Minister einen weißen Zettel vor sich, auf dem er die Vorschläge anderer für den Ostseeschutz festhalten will. Man hat dann aber nicht den Eindruck das er viel aufschreibt, dass er etwas mitnimmt. Ist denn das, was an teils recht konkreten Vorschlägen kommt, in den Augen des Ministers „Larifari Freiwilligen-Gerede“? Er macht es sich einfach, indem er sich hinstellt und sagt: „Ich bin immer noch davon überzeugt, dass ein Nationalpark das richtige Mittel ist“ und in Richtung Alternativen zum Nationalpark nichts in Erwägung zu ziehen scheint.

Ostseeschutz vereint

So entsteht der Eindruck das es der Minister nicht unter einem Nationalpark macht! Andere Ideen – kleinere Ansätze interessieren ihn anscheinend nicht wirklich. Ostseeschutz wird sich aber immer aus vielen kleinteiligen, pragmatischen Maßnahmen zusammen setzten müssen, bei der regionale Akteure dabei sind – einfach die große theoretische Käseglocke Nationalpark obendrauf zu setzen und zu hoffen, dass alles gut wird – das wird nicht funktionieren.

Vier Personen verteilen mit Schaufeln Kies in einem kleinen Fließgewässer.
Ostseeschutz beginnt in den Zuflüssen: Es sind die Angler, die sich freiwillig im ganzen Land für den Artenschutz im und am Wasser stark machen. Wer uns beim Naturschutz nicht mitnimmt, hat selber Schuld.

Bei allen Meinungsverschiedenheiten: die Notwendigkeit von mehr Ostseeschutz ist viel mehr in den Fokus gerückt. Und das ist gut so! Längst haben sich Gruppen zusammengefunden und entwickeln Konzepte und ganz konkrete Maßnahmen, mit denen der Ostsee geholfen werden kann. Diese, sich größtenteils ehrenamtlich engagierenden Personen erledigen die Aufgabe, die unser Umweltminister nicht angeht, nämlich mögliche Alternativen zum NPO aufzuzeigen.

Wir Angler beschäftigen uns schon lange mit dem Ostseeschutz – da, wo wir es können. Klar, wir beangeln einige Arten der Ostsee – aber doch gerade deshalb ist uns sehr am Erhalt der Fischbestände und des Ökosystems gelegen.

Pragmatischer Artenerhalt

Wir waren es, die mit großem Einsatz dafür gesorgt haben, dass es heute wieder nennenswerte Bestände von Lachs und Meerforelle in der Ostsee gibt. So etwas erreicht man nicht mit Fangverboten, sondern mit hartem Einsatz derjenigen, die auch die Bestände nutzen. Die Arbeiten, um dieses zu gewährleisten, finden in den Ostseezuläufen statt. Jüngst hat unser Verband die Fischbrutanstalt Altmühlendorf bei Warder übernommen, um diese Projekte noch weiter zu optimieren.

Dort wird am Meerforellennachwuchs für unsere Ostseezuläufe gearbeitet. Bis zu 2,2 Millionen Fischbrütlinge können wir dort im Jahr erbrüten. Warum wir das tun? Die natürliche Reproduktion funktioniert nicht mehr. Wir greifen der Natur unter die Arme, um die zerstörten oder fehlenden Laichgründe in den Ostseezuläufen zu kompensieren. In Zusammenarbeit mit dem Kanalfischer Thomas Philipson in Rade arbeiten wir auch an den Beständen des seltenen Ostseeschnäpels. Das ist kosten- und arbeitsintensiv, aber wir leisten diese Arbeit seit Jahrzehnten mit großer Freude. Der jetzige Stand ist ausbaufähig und wir wollen gerne noch mehr tun, wir stehen bereit!

Gefördert werden die Aktivitäten aus Mitteln der Fischereiabgabe des Landes. Dieser Topf wird gefüllt aus den Beiträgen der Angler und Fischer. Daraus werden auch Forschungsprojekte im Ostseebereich bezahlt.

Knackpunkt Ostseezuflüsse

Die eben geschilderten Arbeiten sind notwendig, weil sich unsere Ostseezuflüsse in vielen Bereichen in einem schlechten Zustand befinden. Querverbauungen behindern die Wege von Wanderfischen und Wirbellosen. Fehlende oder durch Feinsediment erstickte Laichhabitate verhindern die natürliche Reproduktion dieser anspruchsvollen Arten und sorgen zudem zu einem immensen Verlust von Biodiversität an unseren Gewässern.

Gewässerverunreinigungen sind beinahe an der Tagesordnung. Sowohl eine vielerorts zu intensive Landnutzung bis an die Gewässerränder als auch unzureichend funktionierende Klärwerke verursachen regelmäßig Katastrophen in unseren Fließgewässern. Der bei uns beschäftigte Fischereiberater des Landes hat aus diesen Gründen sehr oft mit Fischsterben zu tun.

drei tote Fische, zwei davon junge Meerforellen, liegen auf einem Stein am Gewässerrand. Im Hintergrund ist ekliger Schaum zu sehen.
So lange solche Zustände in unseren Fließgewässern beinahe an der Tagesordnung sind, wird es der Ostsee kaum besser gehen.

Jüngst hatten wir ein großes Fischsterben in der Lippingau. Tausende junge Meerforellen sind kurz vor ihrer Abwanderung in die Ostsee qualvoll verendet – und die Substanz, die das Fischsterben verursacht hat, fließt ein paar Kilometer weiter in die Ostsee. Fast noch schlimmer sind die vielerorts viel zu hohen Dauerbelastungen der Gewässer, verursacht vor allem durch Abwässer. Diese inzwischen leider „normalen“ Einleitungen bewirken eine extreme Überdüngung, Sauerstoffarmut und ein Artensterben großen Ausmaßes.

Lösungen sind greifbar

Wir haben die Biologen und die Ausstattung, um so etwas zu erfassen und zu beproben. Unsere Leute in der Fläche sind es häufig, die solche Vorfälle entdecken. Aber die Nachverfolgung dieser Probleme können wir nicht leisten, und offensichtlich fehlt es den Landesbehörden an Personal. Hier brauchen wir viel mehr qualifizierte Fachleute, vor allem in den unteren Wasserbehörden, aber auch bei den Umwelttrupps der Polizei, um abzuschrecken, um zu verfolgen und so weiteren Katastrophen vorzubeugen.

Was wir nicht brauchen, ist ein weiteres großes Amt, das unterbesetzt ist. Wir brauchen keine weitere Verwaltung, keinen Nationalpark, und kein behördeninternes Kompetenzgerangel, sondern den Willen, wirklich etwas zu bewegen und geschultes Fachpersonal – draußen an den Gewässern!

Man sieht: viele der Probleme der Ostsee entstehen im Süßwasser, in den Zuläufen der Ostsee. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) ist seit 2002 ein Instrument, das auch hier helfen sollte. Guter ökologischer Zustand der Fließgewässer bis 2015 – so lautete das Ziel – das nun immer weiter nach hinten geschoben wird.

Wir Angler und Fischer haben dort, von der ersten Stunde an, in allen Gebietsgruppen aktiv mitgewirkt, haben unsere Ortskenntnis und unser Fachwissen eingebracht. Es war ein gutes Werkzeug auf einem guten Weg! Es wurde vieles erfasst, es gab vorgezogene Maßnahmen und dann wurde verwaltet. Es fing an, zu bürokratisch zu werden. Wir haben jeden norddeutschen Tieflandbach in dasselbe Fragebogenschema gepackt wie den italienischen Gebirgsfluss. Inzwischen ist die Bürokratie übermächtig geworden, sie lähmt Prozesse. In der Folge passiert seit Jahren nur noch sehr wenig.

Doch viel der Arbeit für die WRRL war nicht umsonst. Die Vorleistungen sollten wir wieder hernehmen und nun zu wirklichen Erfolgen führen. Das Werkzeug ist da – wir hätten auch an den Ostseezuflüssen schon viel weiter sein können. Wenn wir jetzt den politischen Schwung, der in der Nationalparkdebatte aufgekommen ist, für die Umsetzung der WRRL nutzen, können wir vieles bewegen!

Es gibt viele weitere Werkzeuge, die helfen könnten. Die Europäische Meeresstrategie – Rahmenrichtlinie MSRL sollte einen guten Umweltzustand der Meere bis 2020 erreichen. Wir haben an der Ostsee Schutzgebiete in der AWZ, wir haben Vogelschutz, Naturschutz- und FFH-Gebiete. Der Wust an Instrumenten und Reglementierungen, die noch nicht richtig greifen, ist groß und er wächst! Jetzt soll es als weiteres Tool ein Nationalpark richten mit seinem Nationalparkamt. Die Schaffung eines neuen Amtes soll Bürokratie abbauen? Dem Praktiker in mir fehlt da absolut der Glaube!

Peter Heldt mit Angel in der Hand im Porträt. Im Hintergrund ist ein See zu sehen.
LAV-Präsident Peter Heldt ist bereit, für den Schutz der Ostsee einzutreten und auch Einschränkungen mitzugehen – wenn sie denn wirklich helfen!

Was können wir Angler tun?

Fischarten wie Dorsch und Hering leiden verstärkt unter den veränderten Wassertemperaturen. Das spüren auch wir Angler. An Klimawandel, Nährstoffbelastung und Munitionsresten in der Ostsee können wir Angler nur sehr bedingt etwas ändern, aber ein Nationalpark kann das auch nicht.

Wir haben bereits in der Vergangenheit Fangbeschränkungen hinnehmen müssen. Da wo es sinnvoll ist, wo es fachlich und mit Argumenten begründet ist, können wir damit leben. Wenn es hälfe, würden wir auch weiter gehen – im Sinne der Rettung unserer Fischbestände und der Ostsee! Pauschale Ausgrenzung und komplette Fangverbote ohne fachliche Begründung akzeptieren wir jedoch nicht. So etwas sperrt die Menschen aus, die schon jetzt und schon lange etwas für den Ostseeschutz tun.

Man kann über vieles nachdenken und wir sind zu Zugeständnissen bereit. So fordert unser Verband schon seit Jahrzehnten eine komplette Schonzeit in der Laichphase der Dorsche. Unseren Mitgliedern empfehlen wir das seit 20 Jahren auf freiwilliger Basis.

Bei fachlich-sachlich fundierten Vorschlägen kann man auf uns immer zählen. Der pauschale, rein ideologisch geprägte Aufschrei nach Fangverboten stößt allerdings auf unsere Ablehnung. Mit den Mitgliedern unseres Verbandes hat das Land bereits eine große Anzahl an ehrenamtlichen Rangern, die täglich am Wasser sind, und die Missstände rechtzeitig sehen. Man sollte uns nicht aussperren, wir sind bereit für sinnvollen, umsetzbaren und unbürokratischen Ostseeschutz.

Euer Peter Heldt