Ist das Fangen und Zurücksetzen von Fischen, sprich Catch and Release, verboten in Schleswig-Holstein? Um diese Frage endgültig und abschließend zu beantworten, hat die oberste Fischereibehörde des Landes eine praxisnahe Auslegungshilfe für uns erstellt.
Immer wieder hören wir im Gespräch mit Anglern, dass das Zurücksetzen von Fischen in Schleswig-Holstein, ja in ganz Deutschland, verboten sei. Aufgrund unserer Fischereigesetze und des gesamten rechtlichen Rahmens würde Catch and Release verboten sein. Dies kann schon deswegen nicht stimmen, weil untermaßige und aus anderen gründen geschonte Fische per Gesetzt unverzüglich zurückzusetzen sind. Als Angler MUSS ich unter bestimmten Umständen sogar Fische zurücksetzen. Doch DARF ich auch Fische zurücksetzen, die nicht durch gesetzliche oder andere Regelungen (wie über das gesetzliche Schonmaß hinausgehende Schonmaße an Vereinsgewässern) geschont sind? Um dies zu klären, veröffentlichte das zuständige Ministerium für Landwirtschaft, ländliche Räume, Europa und Verbraucherschutz (MLLEV) als oberste Fischereibehörde eine Auslegungshilfe. Wir haben dieses Schreiben, das dem Angler mehr Rechtssicherheit gibt, in diesem Jahr nochmals von der obersten Fischereibehörde auf Aktualität überprüfen lassen und können es euch nun zur Verfügung stellen.
Inhalt:
Tierschutzgerechter Umgang mit geangelten Fischen
Auslegungshilfe zu Paragraf 39 des Landesfischereigesetzes SH sowie des Tierschutzgesetzes
Anlass
Im Landesfischereigesetz von Schleswig-Holstein werden im Paragraf 39 tierschutzrelevante Aspekte der Fischerei geregelt. Dabei werden einige im Rahmen der ordnungsgemäßen Fischerei zu beachtende Verbote formuliert. Im Absatz 1 Nummer 3 geht es speziell um folgendes Verbot: „3. das Fischen mit der Handangel, das von Vornherein auf das Zurücksetzen von gefangenen Fischen ausgerichtet ist (Catch & Release) …“. Diese Vorgabe führt jedoch in der angelfischereilichen Praxis zu offenen Fragen und damit einer gewissen Unsicherheit, wie mit geangelten Fischen umzugehen ist. Daher soll die vorliegende umfassende Auslegungshilfe dazu beitragen, einen tierschutzgerechten Umgang mit gefangenen Fischen zu gewährleisten.
Die im Paragraf 39 des Landesfischereigesetzes formulierten Verbote konkretisieren den universellen Grundsatz aus Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes („Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“). Damit wird die Anwendung des Tierschutzgesetzes erleichtert, indem definiert wird, wie das Erfordernis eines „vernünftigen Grundes“ für fischereiliche Tätigkeiten auszulegen bzw. anzuwenden ist.
Geplanter Verzehr als vernünftiger Grund für das Angeln
Bei der Angelfischerei ist der geplante Verzehr der gefangenen Fische, also der Fang zum Nahrungserwerb, ein „vernünftiger Grund“ gemäß Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes, um Fische zu fangen und zu töten. Dieser Grund ist auch in der Rechtsprechung breit akzeptiert. Eine Anglerin bzw. ein Angler muss sich daher bereits vor Aufnahme des Angelns – also schon bei der Planung des Angelausfluges – mit der Frage auseinandersetzen, ob das vorgesehene Angeln den vernünftigen Grund erfüllen wird bzw. kann. Zwar ist das Angeln in natürlichen Gewässern immer mit Unwägbarkeiten und Überraschungen verbunden – darin liegt ja auch der Reiz dieses Hobbys –, gleichwohl lässt sich durch die gezielte Wahl der Angelmethode, des Köders, des Gewässer, der genauen Angelstelle und der Zeit mit guter Wahrscheinlichkeit vorausplanen, welche Fische man fangen kann und ggf. wird. Daher kann und muss man sich vor dem Angeln die Frage stellen: „Kann und will ich die Fische, die ich potentiell fangen werde, als Nahrungsmittel verwerten?“
- Ist diese Frage eindeutig zu bejahen, steht die Erfüllung des vernünftigen Grundes außer Frage und das Angeln kann beginnen.
- Ist diese Frage jedoch zu verneinen, ist also schon vor Aufnahme des Angelns klar, dass ich die voraussichtlich anbeißenden Fische nicht verwerten kann oder ggf. auch gar nicht will, dann greift das o. g. Verbot des Paragrafen 39 Absatz 1 Nummer 3 und das Angeln ist nicht zulässig.
Zurücksetzen von Fischen, die nicht für den Verzehr geeignet sind
Als problematisch wird in dem Zusammenhang aus der Praxis berichtet, dass trotz sorgfältiger Planung Fische anbeißen können, die objektiv nicht als Lebensmittel verwertet werden können. Diese wurden also nicht in voller Absicht des späteren Zurücksetzens gefangen, sondern unplanbar, zufällig, was der Natur des Angelns entspricht und hin und wieder vorkommen kann. Dann stellt sich die Frage: Dürfen diese Fische rechtskonform zurückgesetzt werden? Die Antwort lautet: Ja, wenn objektive Gründe dafür sprechen, dass eine Verwertung als Lebensmittel nicht möglich oder nicht sinnvoll ist.
Ein solches Vorgehen kommt bei folgenden Fallkonstellationen in Betracht:
Der Fisch ist „zu groß“ und kann aufgrund der Menge nicht verwertet werden.
Beispiel: Ein alleinstehender Pensionär angelt mit kleinem totem Köderfisch an der Grundangel, um Aale zu fangen. Stattdessen fängt er einen großen Wels von z. B. 15 kg. Der Fisch ist eindeutig zu groß, um ihn allein essen zu können. Ausreichend Gefrierkapazitäten und Abnehmer im Bekanntenkreis hat der Angler für den Wels ebenfalls nicht. Diesen Fisch darf der Angler unverzüglich schonend zurücksetzen.
Der Fisch ist aufgrund seiner aktuellen Eigenschaften nicht als Lebensmittel geeignet.
Beispiel: Anfang Januar angelt man vom Strand der Ostsee mit leichter Spinnrute auf Meerforelle und Dorsch. Dabei fängt man eine (maßige) Meerforelle von 60 cm Länge, die allerdings total abgemagert ist, weil sie offenkundig vor kurzem dem Laichgeschäft nachgegangen ist. Diese Forelle ist als Lebensmittel weitgehend ungeeignet und darf unverzüglich schonend zurückgesetzt werden.
Der Fisch ist „zu klein“ und kann nicht sinnvoll verwertet werden
Diese Konstellation kann sich nur bei Arten ergeben, die kein rechtlich bindendes Mindestmaß haben. Es besteht keine Verpflichtung, jeden noch so kleinen Fisch mitzunehmen und zu verwerten.
Beispiel: Ein Angler angelt mit der Brandungsangel und Wattwurm auf Dorsche und Plattfische. Dabei fängt er ungewollt eine Flunder von ca. 15 cm Länge, ein Mindestmaß besteht vor Ort nicht. Diese kleine Flunder, die aufgrund des sehr geringen Fleischgehaltes in der Küche kaum sinnvoll zu verwerten ist, kann unverzüglich schonend zurückgesetzt werden.
Die genannten Fallkonstellationen lassen sich im Grundsatz gut beschreiben, gleichwohl bleibt immer ein Entscheidungsspielraum. Wann ist ein Fisch „zu groß“, wann ist er „zu klein“, wann ist er „als Lebensmittel ungeeignet“? Dieses lässt sich im Gesetz nicht für jede individuelle Situation regeln, hier muss der sachkundige und verantwortungsbewusste Angler vor Ort eine Entscheidung treffen. Die Frage, ob eine Verwertung als Lebensmittel möglich ist, muss in jedem Einzelfall beantwortet werden.
Der Angler muss eine schlüssige Begründung dafür haben, wenn seiner Meinung nach eine Verwertungsmöglichkeit nicht besteht und er den Fisch zurücksetzen möchte. Dabei stellt die Verwertung des Fisches, also Mitnahme und Verzehr, den Regelfall dar, während das Zurücksetzen die Ausnahme bleiben muss. Bei den beispielhaft aufgeführten Fallkonstellationen handelt es sich um Einzelfälle. Die Gründe für das Zurücksetzen müssen bei eventuellen Kontrollen nachvollziehbar dargelegt werden können. Es wird darauf hingewiesen, dass das Zufügen von länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden nach dem Tierschutzgesetz als Straftatbestand geahndet werden kann.
Zur Frage des Zurücksetzens maßiger Fische aus Hegegründen
In den fischereirechtlichen Regelungen gibt es Vorschriften für die erforderliche Hege von Fischen. Dieses erfolgt mit unmittelbarer Auswirkung für Angler, z. B. durch den Erlass von Mindestmaßen, Schonzeiten, Tagesfangbegrenzungen, Schongebieten, Begrenzungen der Anzahl zulässiger Fanggeräte usw. Die einzelne Anglerin oder der einzelne Angler hat nicht das Recht, sich über die bestehenden rechtlichen Regelungen hinwegzusetzen und eigene Maßstäbe für die notwendige Hege anzulegen, selbst wenn diese strenger als die rechtlichen Vorgaben ausfallen. Erfüllt also z. B. ein geangelter Fisch das vorgeschriebene Mindestmaß und steht seine „Eignung“ als Lebensmittel außer Frage, so besteht hier ein Entnahme- und Verwertungsgebot. Es ist nicht zulässig, individuelle Mindestmaße anzusetzen, je nachdem, welche Fischgröße man persönlich für verwertbar hält.
Beispiele:
Ein maßiger Fisch ist trotzdem „zu klein“
Ein Angler fängt an der Ostseeküste einen Dorsch von 45 cm Länge. Er meint, dieser Dorsch sei ihm persönlich „noch zu klein“, und er setzt den Fisch zurück. Damit handelt der Angler jedoch ordnungswidrig. Denn der Dorsch erfüllt mit 45 cm zweifellos das vorgeschriebene Mindestmaß, und eine sinnvolle Verwertung eines Dorsches von 45 cm ist unstrittig möglich. Daher muss der Dorsch entnommen und verzehrt werden. Eine persönliche Entscheidungskompetenz zum Zurücksetzen hat der einzelne Angler in dieser Konstellation nicht.
Ein maßiger Fisch ist „zu groß und zu wertvoll“
Beim Dorschangeln vom Kutter fängt ein Angler einen Dorsch von 70 cm. Er setzt den Fisch zurück. Dafür gibt er zwei Gründe an: 1. der Fisch ist zu groß für die Verwertung in der Küche und 2. große Fische sind wertvolle Laichfische und daher aus Hegegründen zurückzusetzen. Beide Begründungen reichen als Legitimation für das Zurücksetzen allerdings nicht aus. Der Angler handelt mit dem Zurücksetzen ordnungswidrig, denn: Wer gezielt auf Dorsch angelt, muss damit rechnen, auch mal einen größeren Dorsch zu fangen. Er muss sich daher im Vorwege über die Verwertung auch ggf. großer Fische Gedanken machen und diese sicherstellen. Wie ein Fischbestand am besten gehegt und gemanagt wird, steht nicht in der Entscheidungsbefugnis des einzelnen Anglers. Im Meer sind für das Fischereimanagement und die Festlegung von Hegemaßnahmen ausschließlich die EU, der Bund bzw. das Land zuständig.
Hinweis: Unter gewissen Rahmenbedingungen können die Inhaber eines Fischereirechts in Binnengewässern die bestehenden rechtlichen Regeln zur Hege verschärfen. Auch daran muss sich der einzelne Angler vor Ort dann halten. So kann z. B. ein Fischereipächter eine Schonzeit verlängern oder das Mindestmaß erhöhen. Dafür müssen jedoch objektive Begründungen vorliegen, die eine Abweichung von den gesetzlichen bzw. durch Verordnung bestimmten Regeln erklären. In Zweifelsfällen leistet die obere Fischereibehörde hier kompetente Beratung.
Zurücksetzen: unverzüglich und schonend!
Für alle oben genannten Fallkonstellationen, für die im Ausnahmefall ein Zurücksetzen in Betracht kommt, gilt selbstverständlich, dass der Vorgang des Zurücksetzens unverzüglich nach dem Fang und so schonend wie möglich zu erfolgen hat. Es verbietet sich dabei, dem Fisch durch das Anfertigen von Fotografien, Vorzeigen oder auch durch weiteres Hältern unnötigen Stress zuzufügen. Diese Auslegungshilfe zu Paragraf 39 Absatz 1 Nummer 3 des Landesfischereigesetzes soll Ihnen helfen, ein besseres Verständnis für die Hintergründe der Regelung zu entwickeln und Sicherheit bei bestimmten Fragestellungen vor Ort zu erlangen. Die Darstellung kann und will Ihre verantwortungsvolle Entscheidung am Gewässer nicht ersetzen.
Sollten Sie noch Fragen zu der Thematik haben, wenden Sie sich gerne an Herrn Dr. Roland Lemcke, vorzugsweise per E-Mail:
MINISTERIUM FÜR LANDWIRTSCHAFT, Ländliche Räume, Europa UND Verbraucherschutz SH, STAND MAI 2023
AUSLEGUNGSHILFE ZUM TIERSCHUTZGERECHTEN UMGANG MIT GEANGELTEN FISCHEN
Downloadbare Auslegungshilfe des MLLEV
Fazit: Ist Catch and Release verboten in Schleswig-Holstein?
Abschließend kann man also sagen, dass der Angler in Schleswig-Holstein im Rahmen des Landesfischereigesetzes durchaus berechtigt ist, selbst zu entscheiden, ob er einen Fisch zurücksetzt, oder nicht. Insbesondere, wenn sich der gefangene Fisch für eine sinnvolle Verwertung aus den oben genannten Gründen nicht eignet, ist der Angler dank unseres guten Fischereigesetzes durchaus in der Lage, den Fisch zurückzusetzen, ohne sich rechtlich strafbar zu machen. Dass dieses Zurücksetzen schnell und schonend zu geschehen hat, muss für jeden Angler selbstverständlich sein!
Allerdings öffnet dieser gesetzliche Rahmen keinesfalls Tür und Tor für ein reines, geplantes Fangen und Zurücksetzen! Im Gegenteil: besonders, wenn der Angler von vornherein ausschließt, dass er Fische zum Verzehr entnehmen wird und nur zum reinen Vergnügen Fische fangen und anschließend – schlimmstenfalls nach einer längeren Foto-Session – zurücksetzen will, ist der „vernünftige Grund“ nicht gegeben und der Angler handelt ohne Frage gesetzeswidrig. In solch einem Falle ist dann natürlich auch Catch and Release verboten – ohne Frage!
Der Definition von Catch and Release im Schleswig-Holsteinischen Fischereigesetz nach werden alle gefangenen Fische obligatorisch zurückgesetzt – anhand dieser Definition ist Catch and Release verboten – das muss klar sein! Wenn mit Catch and Release jedoch gemeint ist, dass ein Teil des Fanges vom Angler umgehend zurückgesetzt wird, weil er sich aus den oben aufgeführten Gründen nicht für die Verwertung eignet, ist Catch and Release also durchaus erlaubt.
Ob Catch and Release verboten ist, ist also eine Frage der Begriffsdefinition (siehe LFischG §39), der Motivation des Anglers (die Intention Angeln zu gehen, muss eine Verwertungsabsicht beinhalten) und der Handhabung des Fisches beim Zurücksetzen (so schonend und schnell wie möglich).