Die Angst war groß vor diesem Herbst. Würde der weiter angewachsene Fischotterbestand im Land einen negativen Einfluss auf die Laichfische haben? Würden wir überhaupt genug Fisch zusammen bekommen, um die Bruthäuser zu füllen? Schreckensbilder aus anderen Gegenden Deutschlands und Österreichs, in denen die Großsalmonidenbestände regelrecht zusammengebrochen waren, sorgten für reichlich Anspannung.
Kein Otter-Armageddon
Die Entwarnung kam an den meisten Gewässern schnell. Der von manchen befürchtete Bestandszusammenbruch ist ausgeblieben. Die Fänge der ersten Befischungen waren überwiegend gut. Im Stör-System beispielsweise konnten schon bei den ersten Durchgängen so viele Forellen gefangen werden, dass unser ARGE-Bruthaus in Aukrug bereits gut mit Elterntieren besetzt war.
Natürlich wurden auch die übrigen Gewässer des Fischhorizonte-Programms befischt. Die ansässigen Vereine leisteten teilweise selbst diese Arbeit. Wo kein Verein zuständig ist oder die Manpower fehlte, fischte Kilian Lauff von der Fischbrutanstalt Altmühlendorf der Binnenfischer und Teichwirte.
Fünfmal die Woche Laichfischfang
Um alle benötigten Fische aus allen Gewässersystemen zu bekommen, ist viel Aufwand nötig. Kilian fischt von Mitte Oktober bis Mitte Dezember an fünf Tagen in der Woche. Man kann wohl sagen, dass kaum jemand einen so guten Eindruck von den Forellenbeständen im Land hat. Grund genug, ihn ein bisschen von der 2022er Saison erzählen zu lassen.
„Dieses Jahr war besonders. Wir haben bei 20° im T-Shirt gefischt und laichreife Forellen gefangen. Gerade zu Beginn hatten wir großes Glück und konnten die Aufsteiger-Trupps fangen. Das lief richtig gut.“ Kilian berichtet jedoch von einem echten Problem der Laichfischfangsaison 2022, das auch gleichzeitig der Grund für die guten Fänge zu Beginn der Saison war.
Viel zu wenig Wasser
„Wir hatten gar kein Wasser. Den ganzen Herbst hindurch haben die großen Regenfälle gefehlt. Die Fische standen in den Unterläufen, unterhalb der ersten Schwellen und haben gewartet. All die Laichplätze in den oberen Bereichen sind gar nicht angenommen, da fehlt einfach Wasser. An vielen Gewässern liegen die Kiesbetten trocken!“
An der Trave zum Beispiel waren kleine Nebengewässer, die sonst gute Laichplätze bieten, selbst Mitte November komplett trocken. „Wir haben an den meisten Gewässern auf den Laichplätzen gar keine Fische gefangen, das ist ne Katastrophe! Selbst wenn jetzt noch mal richtig Niederschlag kommt, wird so viel Feinsediment aus den Drainagen eingebracht, dass sich das Lückensystem sofort zusetzt.“
Kieslaicher wie die Forelle sind auf ein intaktes Kiesbett mit durchlüftetem Sediment angewiesen, andernfalls sterben die Eier aufgrund von Sauerstoffmangel ab. Zum Glück für die Meerforellen und Lachse im Land werden ihre Bestände durch die Bruthäuser gestützt.
Bruthäuser sichern Fortbestand
Ohne diese Reserve können schlechte Jahre wie 2022 mit fehlenden Niederschlägen zu einem massiven Bestandseinbruch führen. Die künstlich erbrüteten Forellen sichern daher den Fortbestand und gleichen natürliche Schwankungen und vor allem durch Gewässerverbauung fehlende Laich- und Jungfischhabitate aus.
Da der Lachs zum Laichen Kiesbänke in den Mittelläufen benötigt, hat er es noch schwerer in Schleswig-Holstein. Es gibt schlicht kaum geeignete Strukturen in unseren Flüssen – ohne Besatzunterstützung hätten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit gar keinen Lachs mehr im Land.
Kein Lachs ohne Besatz
Besonders erfreulich ist es daher, wenn Lachse beim Laichfischfang zum Vorschein kommen. Die Trave, die Treene und die Stör haben auch in dieser Saison wieder einige gute Lachse zum Vorschein gebracht. In der Zukunft sollen nun endlich auch in Schleswig-Holstein Lebensraumverbesserungen für den Lachs umgesetzt werden. Bis es soweit ist, bleibt er allerdings von unserer Unterstützung abhängig.
Auch die meerwandernden Coregonen, die Schnäpel, werden durch Besatz unterstützt. Um die Elterntiere zu fangen, waren wir selbst auf dem Flemhuder See unterwegs und konnten einige schöne Exemplare bis 68 Zentimeter fangen. Kilian fischte etliche Durchgänge an der Treene, fing dabei aber weniger Fische als in den Vorjahren.
Der Otter hat sicherlich einen Einfluss auf Fischbestände. Auch Meerforellen werden den vermehrten Druck des nächsten Fischräubers zu spüren bekommen. Kilian ist auch Otter-Beauftragter des Landes und dokumentiert seinen Einfluss.
Fischotter-Einfluss ist spürbar
„Was richtig auffällig ist, dass die männlichen Meerforellen fehlen. Die Fische, die sonst schon Wochen vor den Weibchen in die Oberläufe zeihen und Reviere an den Laichplätzen einnehmen. Diese Fische fehlten fast völlig. In vielen kleineren Gewässern haben wir nur kleine Männchen gefangen, die noch weit unten standen und noch fast blank waren. Da hat sich was verändert.“
Kilian erhielt aus verschiedenen Landesteilen Fotos von verletzten oder toten Meerforellen, die offensichtlich von Ottern gefangen worden waren. Auch Aufnahmen von Wildkameras dokumentieren, dass Otter gezielt die Laichplätze der Forellen aufsuchen und dort Beute machen. Das Spannungsfeld Fischotter und Meerforelle müssen wir im Blick behalten und gegebenenfalls das Management der Meerforelle durch weitere Lebensraumverbesserung und vielleicht sogar intensivierte Besatz anpassen. Doch die große Katastrophe ist zum Glück nicht eingetreten.
Positives Fazit
Auch Hartwig Hahn von der ARGE Stör Bramau zieht ein positives Resümee. „Unsere Brutschränke sind voll, wir haben schon mit den ersten drei Befischungen reichlich Forellen bekommen.“ Auffällig und erfreulich war dabei die Durchschnittsgröße der Stör-Meerforellen, viele Fische über 70 Zentimeter konnten gestreift werden.
Nach dem Laichfischfang ist die Arbeit noch lange nicht getan. Jetzt folgt die nicht weniger aufwendige und sehr sensible Phase der Ei-Reifung, des Schlupfes und des Aufziehens der jungen Salmoniden.
Hartwig Hahn: „So viele große Weibchen hatten wir schon länger nicht. Und bei den Männchen haben wir ja sogar einige Fische deutlich über 80 Zentimeter gleich wieder schwimmen lassen. Und auch vier große Lachs-Weibchen hatten wir – alle konnten wir streifen. Damit können wir weiter für die Stör-Lachse arbeiten.“ Jetzt warten die die Meerforellen-Freunde im Land auf die schlüpfenden Brütlinge, damit sich in 2023 mit dem Aussetzen der Jungfische der Kreislauf wieder schließt.